Ermächtigt, beeidigt, vereidigt, beglaubigt, bestätigt … Die Begriffe gehen teilweise wild durcheinander
Am 27. September 2022 ist es so weit: Ich werde vor dem Landgericht Berlin für Litauisch ermächtigt.
Die Vertragsunterzeichnung
Ein spannender und wichtiger Augenblick ist immer auch die Unterzeichnung eines Vertrags!
Und dann ist endlich Sommer! Nun ist alles in üppiges Grün getaucht, die Häuser verschwinden fast in ihren Gärten. Natürlich hat die sogenannte „Ursprünglichkeit“ auch jetzt ihren Preis: Wasser muss mit Eimern aus dem Brunnen geholt und auf dem Herd erwärmt werden, wofür zuvor Holz gehackt werden muss. Die Milch kommt morgens frisch von einem der Nachbarn und schmeckt jedes Mal anders – je nach den individuellen Vorlieben der jeweiligen Kuh! Am Abend ist sie sauer, weil es keinen Kühlschrank gibt – aber dafür kann sie zusammen mit den gebratenen Pilzen gegessen werden, die man tagsüber gesammelt hat, oder, mit frischen Beeren verrührt, als Nachtisch. Um seine Freizeitgestaltung muss man sich zumindest keine Gedanken machen! Dreckig, müde? Der Fluss ist gleich vor der Tür, und richtig „gebadet“ wird sowieso am Samstagabend in der Pirts, der lettischen Variante der Sauna. Licht muss man kaum anzünden, schließlich ist es abends lange hell. Meine Oma hätte vermutlich nur gesagt: „Natürlich, so war es bei uns früher auch“, und ich kenne das alles aus ihren und anderen Schilderungen. Aber es ist doch etwas ganz anderes, einmal selbst wie zu Groß- oder Urgroßmutters Zeiten zu leben!
Sommer in Lettland – die Welt der Kinder
Die Kinder im Dorf werden kaum beaufsichtigt, und Spielzeug besitzen sie ebenfalls so gut wie keines. Plastik aus dem Westen ist Anfang der neunziger Jahre vor der Währungsreform sowieso mehr oder weniger unbekannt, kaum erhältlich und erst recht nicht erschwinglich. Aber umso fantasievoller sind ihre Spiele! Sie zeigen mir, von welchem Baum sich die besten Äpfel klauen lassen, stecken sich im Vorbeigehen Beeren in den Mund, streifen durch den Wald, schwimmen im Fluss oder planschen unbekümmert in einem der nahegelegenen Seen. Für mich ist dieser Sommer in Lettland geradezu paradiesisch, in ständiger Nähe zur Natur und in nahezu vollständiger Bedürfnislosigkeit. Aufgrund von Fahrradtouren mit dem Zelt ist mir ein (zumindest vorübergehender) Verzicht auf Komfort nicht fremd, aber es ist etwas ganz Besonderes zu erleben, dass für manche Menschen so der Alltag aussieht. Erstaunlicherweise sehnen sich manche von uns insgeheim eben doch manchmal nach dem, was wir vor 50 oder 100 Jahren hinter uns gelassen haben (oder wenigstens nach bestimmten Aspekten). Und die Letten selbst? Auch alle die, die längst Fernwärme und fließendes warmes Wasser zu Hause haben, tauchen bei einem Besuch auf dem Land mühelos wieder in dieses Leben ein, pflücken Beeren, sammeln Pilze – und zapfen Birken an.
Siehe auch die folgenden Beiträge:
• Leben mit der Sauna als Mittelpunkt
• Lettland nach der Stunde Null
• Auf Spurensuche in Riga
• Dreißig Jahre Estnisches Wirtschaftswunder
Über den Autor
Dr. Berthold Forssman studierte an den Universitäten Erlangen, Reykjavík und Kiel Skandinavistik (Nordische Philologie), Slawistik und Germanistik und promovierte nach dem Magister in Skandinavistik an der Universität Jena in Indogermanistik über ein Thema zu den baltischen Sprachen. Seit 2002 ist er als freiberuflicher Übersetzer, Journalist und Autor tätig und übersetzt aus den Sprachen Schwedisch, Lettisch, Litauisch, Estnisch und Isländisch in seine Muttersprache Deutsch. Er ist staatlich geprüfter Übersetzer für Schwedisch und Lettisch, staatlich überprüfter Übersetzer für Isländisch, staatlicher Prüfer für Estnisch, Lettisch und Isländisch und vom Landgericht Berlin ermächtigter Übersetzer für Schwedisch, Lettisch, Estnisch und Isländisch. Mehr vom und über den Autor erfahren Sie hier!